Im hochmittelalterlichen Chorgestühl nahmen die Domherren für die Stundengebete Platz. Sie durften sich beim Stehen auf sogenannte Misericordien stützen, also barmherzige Hilfen. Diese zeigen allerlei Szenen aus dem Alltagssleben, manchmal mit viel Liebe und Humor, manchmal aber auch spöttisch und sehr böswillig. Für eine besondere Schuld steht die „Judensau“. Die Schnitzerei zeigt zwei Männer mit einer „Judenkappe“, die an den Zitzen einer Sau saugen. So werden die Juden verspotten. Sie verachten die Christen, wird ihnen unterstellt, aber nähren sich durch die Kredite, die sie diesen zu hohen Zinsen vergeben. Dieser Vorwurf ist in doppelter Hinsicht gemein. Denn die Juden durften kein Land besitzen und kein Handwerk ausüben und hatten also kaum eine andere Chance, als ihren Lebensunterhalt durch Kreditgeschäfte zu finanzieren. Und die Christen waren auf diesen Dienst angewiesen, weil ihnen das Zinsnehmen untereinenader durch die geltenden Kirchengesetze untersagt war.
Am 16. Januar 1349 kippte der Spott über die Juden in einen grausamen, sorgfältig koordinierten Massenmord. Die Juden der Stadt, Männer, Frauen, Kinder, wurden samt den Schuldbüchern in einem eigens dafür erbauten Häuschen auf einer Insel in der Birs zusammengetrieben und mit dem Häuschen verbrannt. Die Aktion war mit anderen Städten abgesprochen. Sie geschah, als der Bischof abwesend war. Es scheint, dass vor allem die Zünfte die treibende Kraft waren; der Klerus verurteilte die Schandtat. Als sieben Jahre später das Erdbeben Teile der Stadt in Trümmer legte, deuete ein Prediger das als die verdiente Strafe für diesen Mord.
Auch im der neusten, mehrbändigen Geschichte der Stadt Basel wird dieser Massenmord noch wieder verharmlosend dargestellt.
Das Schnitzwerk mit der Judensau wurde aus der Kirchen entfernt und befindet sich heute im Jüdischen Museum in Basel.
Lesen Sie merh darüber in dem Buch „Das Basler Münster. Tausend Jahre mit Christus“, Seiten 170-177.